Brue-Auriac – Ausflug in eine ruinöse Vergangenheit

„Überall ist Wunderland, überall ist Leben. Bei meiner Tante im Strumpfenband und irgendwo daneben“. Was haben dieses Zitat von Joachim Ringelnatz und der kleine Ort Brue-Auriac in der Provence gemeinsam? Beide zeigen, dass selbst scheinbar abgelegene und vergessene Plätze ihre Geheimnisse und ihre Reize haben.

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Inhaltsverzeichnis
Brue-Auriac ist „normal schön“ auf hohem Niveau | Aus eins mach zwei | Stumme Zeitzeugen und lebendige Nachbarn

Zugegeben, im Fall der Tante muss man sich auf das Zeugnis von Ringelnatz verlassen. In Brue-Auriac können sich Reisende hautnah davon überzeugen, dass die Geschichte überall interessante Spuren hinterlassen hat.

Brue-Auriac ist „normal schön“ auf hohem Niveau

Brue-Auriac. Foto: Par Rvalette (Travail personnel) [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

Brue-Auriac. Foto: Par Rvalette (Travail personnel) [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons

Brue-Auriac. Auf den ersten Blick scheint die Ortschaft nicht viel zu bieten zu haben. „Nicht viel“ ist dabei natürlich relativ und bewegt sich auf sehr hohem Niveau. Tatsächlich gilt die Aussage nur, wenn sie in Bezug auf andere Schönheiten der Provence gesehen wird. Dann ist die wunderbare, Brue-Auriac umgebende Landschaft eben „nur“ genau so schön wie überall woanders auch, die Aussichten sind ähnlich atemberaubend und das Klima sowieso identisch. Abgesehen von zwei Ausnahmen sind auch die Gebäude in Brue-Auriac mittelmäßig im besten Provence-Sinne. Dennoch ist dieses Dorf, das heute rund 1200 Einwohner zählt, etwas Besonderes und wirklich ungewöhnlich. Das hat vor allem mit seiner Geschichte zu tun.

Aus eins mach zwei

Rückblende: Im Jahr 1703 wird auf Korsika ein Junge geboren, der 43 Jahre später entscheidend die Entwicklung von Brue-Auriac beeinflussen wird. Vorher allerdings geht der junge George nach Martinique und beginnt eine Laufbahn als Händler mit vielen Gütern – unter anderem auch mit Sklaven. Zurück in Frankreich lässt er sich in Marseille nieder und führt ein neues Getränk in Frankreich ein, den Kaffee. George Roux macht eine steile Karriere, er verdient viel Geld und wird sogar geadelt.

Zu seinen Besitztümern zählen auch zwei verwaiste und vernachlässigte Dörfer in der Provence. 1746 beginnt Roux damit, Brue und Auriac neues Leben einzuhauchen und die Infrastruktur der nun zusammengeschlossenen Ortschaften zu entwickeln. Bis auf den heutigen Tag ist das in der abgezirkelten Straßenführung und Stadtplanung erkennbar. Brue-Auriac floriert unter dem Marquis de Brue; die Bewohner handeln mit Seide, stellen Fayencen her, weben und entwerfen Kacheln.

Die Einwohnerzahlen steigen und zeitweise funktioniert das System so geschlossen, dass nicht mit normalem Geld, sondern mit einer eigenen Währung bezahlt wird. 1758 freilich bricht alles zusammen. George Roux verliert diverse Schiffe, der Siebenjährige Krieg tut ein Übriges, um ihn in den Bankrott zu treiben. Der Marquis ist schließlich völlig ruiniert, er bleibt aber in Brue-Auriac wohnen, wo er 1792 mittellos stirbt.

Stumme Zeitzeugen und lebendige Nachbarn

Unstrittig ist, dass der Adelige gut für seine Dorfbewohner gesorgt hat. Davon zeugt bis heute ein großer, zylindrisch zulaufender Turm, der so genannte Pigeonnier. Er liegt knapp außerhalb von Brue-Auriac und diente im 18. Jahrhundert dazu, die Bewohner mit frischen Lebensmitteln versorgen zu können. Ebenfalls ganz etwas außerhalb des Ortes liegt das zweite bemerkenswerte Gebäude, die Kirche Notre-Dame. Auch sie geht auf George Roux zurück.

Brue-Auriac ist innerhalb der Provence leicht zu erreichen und liegt nicht weit von den wichtigsten Touristenorten entfernt. Nach Aix-en-Provence etwa sind es lediglich 40 Kilometer. Auch Cannes, Nizza und St. Tropez sind bequem erreichbare Ziele.